«Mit der Berufung als Managing Director erreicht Karin Lang den Gipfel ihrer bisherigen bemerkenswerten Karriere.» Dies ist ein Zitat aus einer Medienmitteilung von Publicis. Was denken Sie, wenn Sie das hören?
(Lacht.) Ob dies schon der Gipfel gewesen ist – das ist gerade mein Thema … Aber klar, wenn man Geschäftsführerin bei der grössten Werbeagentur der Schweiz wird, hat man schon vieles erreicht. Das macht mich schon auch stolz.
Was bedeutet Erfolg für Sie?
Erfolg ist wichtig für die Motivation und kann dabei sehr vielfältig sein. Für mich ist Erfolg zum Beispiel der Gewinn eines Neukunden, eine Kampagne, die die Ziele übertrifft, zufriedene Kunden und vor allem ein zufriedenes Team. Oder ganz allgemein: wenn eine Leistung Anerkennung findet.
Haben Sie Ihre Karriere geplant?
Nein, nicht bewusst. Ich wurde eigentlich immer abgeworben und dachte mir fast jedes Mal: «Wenn die finden, dass ich das kann, dann wird auch etwas dran sein», und habe mich in das Abenteuer gestürzt.
Sie hätten sich nicht von sich aus auf die Stellen beworben?
Nein, ich hätte mir das jeweils nicht selbst zugetraut.
Wieso nicht?
(Lacht.) Das ist vermutlich der Unterschied zwischen Mann und Frau. Frauen stellen ihr Licht oft unter den Scheffel. Ausserdem habe ich Familie. Und eine Frau mit Familie kann meistens nicht den gleichen Effort leisten wie ein Mann mit Familie. Er ist am Ende des Tages eben doch unabhängiger.
In der Geschäftsleitung von Publicis sind Sie die einzige Frau. Spüren Sie hier auch einen Unterschied?
Frauen ticken definitiv anders. Von der Kommunikation und von der Emotionalität her. Manchmal stösst man mit gewissen Themen bei den männlichen Kollegen nicht auf Verständnis. Für sie sind andere Themen wichtig und andere Lösungswege richtig.
Haben Sie das Gefühl, dass es für Sie schwieriger war, Karriere zu machen, weil Sie eine Frau sind?
Ja, das glaube ich schon. Beispielsweise sind die Ansprechpersonen auf Kundenseite meistens Männer. Und Männer können sich gegenseitig auf die Schulter klopfen und zusammen ein Bier trinken gehen – das ist nicht unbedingt die Form von Networking, die man als Frau macht. Schon gar nicht als Mutter, da man einfach auch mal zu Hause sein sollte und möchte. Fachlich gesehen, wird von einer Frau definitiv mehr erwartet.
Hat Erfolg auch mit Verzicht zu tun?
Ja. Denn nicht nur selbst verzichtet man auf vieles, auch das Umfeld muss verzichten, oder kommt oft etwas zu kurz. Es ist daher sehr wichtig, als Mutter ein funktionierendes Umfeld zu haben.
Sie sprechen aus Erfahrung: Sie haben eine Tochter und arbeiten 80 Prozent. War es schwierig, das Teilzeitpensum beim Arbeitgeber durchzusetzen?
Es ist eher schwierig, das für mich selbst einzuhalten. Ich habe oft ein schlechtes Gewissen, wenn ich nicht physisch anwesend bin. Wenn ich die Abende und Wochenenden mitzähle und die ständige Abrufbereitschaft, sind es weit über 100 Prozent. Ich finde aber, dass ich das meinem Team schuldig bin. Das Problem ist: Man hat das Gefühl, dass man weder zu Hause wirklich da ist noch im Büro. Es ist ein Seilziehen.
Wie gehen Sie damit um?
Läuft beruflich und privat alles rund, ist es kein Problem – wenn nicht, wird es schwierig. Für mich ist jetzt erst einmal Endstation. Ich habe mich entschieden, aus dem sogenannten Hamsterrad auszusteigen. Nach 23 Jahren in der Werbung stellt sich zudem die Frage, wie es nach so einem Job weitergehen könnte – macht man den gleichen Job einfach an einem anderen Ort? Es ist die Frage: Was gibt es sonst noch?, die mich beschäftigt. Ich kann sie aber noch nicht beantworten.
Das erfordert Mut. Wie hat Ihr Umfeld darauf reagiert?
Für die meisten Leute aus dem beruflichen Umfeld kam es unerwartet. Im privaten Umfeld hiess es eher: «Endlich!» Viele haben mir gratuliert und finden eine Neuorientierung spannend und gut.