Industrie 4.0 – diesen Ausdruck liest man heutzutage immer wieder. Doch was genau ist damit eigentlich gemeint? In der Geschichte gab es bereits drei industrielle Revolutionen (Ende des 18. und 19. Jahrhunderts sowie Mitte des 20. Jahrhunderts), die – kurz zusammengefasst – alle entstanden, weil Maschinen erfunden worden waren, welche die Menschen im physischen Bereich unterstützen. Nun, bei der vierten industriellen Revolution (Industrie 4.0), geht es um geistiges Leistungsvermögen – die Maschinen erhalten die Fähigkeit, zu denken. Was heisst das für die Arbeitswelt? Was verändert sich im digitalisierten Zeitalter? Und was sind die Konsequenzen für das Personalwesen? Um dem Umbruch unserer Zeit auf die Spur zu kommen, hat die Universität St. Gallen zusammen mit der Deutschen Telekom die Studie «Arbeit 4.0» herausgegeben und dabei 25 Megatrends ausgemacht. Wir haben die wichtigsten Punkte für das HR zusammengefasst:
Fliessende Grenzen zwischen Unternehmen und Produkte ohne Absender
Netzwerke spielen eine zentrale Rolle in der neuen Arbeitswelt. Standardisierte Back-End-Prozesse werden daher zwischen Unternehmen geteilt, ohne dass dies für Kunden oder Mitarbeiter sichtbar ist. So entstehen neue Arbeitsplätze ohne eindeutige Zugehörigkeit zu einer Organisation und Produkte ohne eindeutigen Absender.
Hiring on demand
Für spezifische Leistungen greifen Unternehmen immer weniger auf festangestellte Arbeitskräfte zurück. Vielmehr beauftragen sie Fachkräfte punktuell. Das Arbeitsverhältnis wandelt sich zum Arbeitseinsatz.
Das Ende der Hierarchie
Hochqualifizierte Fachkräfte interagieren weltweit in vernetzten Special-Interest-Communities. Die Loyalität gilt neu nicht mehr dem Unternehmen, sondern der fachlichen Expertise.
Offene Unternehmensstrukturen
Die Forderung nach maximaler Transparenz und die Notwendigkeit, mit den Konsumenten eng zusammenzuarbeiten (Co-Creation), führen dazu, dass sich das Innen und das Aussen vermischen – Unternehmensstrukturen werden aufgebrochen. Dabei wird die «Crowd» zum Teil der Wertschöpfung.
Prosumenten – Kunden statt Mitarbeiter
Viele digitale Leistungen werden von Begeisterten gern und unentgeltlich erbracht. Die Grenzen zwischen Konsument und Produzent verwischen, man wird zum Prosument. Freiwillige digitale Arbeit ersetzt professionelle Beschäftigung.
Der Mensch als Kontrolleur statt Leistungserbringer
Die Rolle des Menschen wird in Zukunft die Überwachung der Maschinen sein. Routinevorgänge und körperlich anstrengende Arbeit werden die Maschinen eigenständig übernehmen.
Traditionelle Arbeitsorte und -zeiten lösen sich auf
Dies hat Vor- und Nachteile, wie die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch die Always-on-Mentalität. Arbeitsleistung von hochqualifizierten Fachkräften wird zudem im Rahmen von Projektarbeit rund um die Welt erbracht. Wo der Leistungserbringer arbeitet, spielt keine Rolle mehr. Arbeit wird erstmals so mobil wie Kapital.
Kernkompetenz Selbstmanagement
Durch das Auflösen traditioneller Arbeitsverhältnisse muss (und kann) sich der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit nach Bedürfnis und Fähigkeit selbst zusammenstellen.
Der «Latte-macchiato-Arbeitsplatz»
Da die Menschen in immer flexibleren Verhältnissen arbeiten, breitet sich der Arbeitsplatz in den öffentlichen Raum aus.
Job-Hopping & Cherry-Picking
Die Flexibilität bei Arbeitsverhältnissen führt dazu, dass Arbeitnehmer immer auf der Ausschau nach Neuem sind und sich viel weniger an ein Unternehmen binden.
Führen auf Distanz – Motivieren anstatt Kontrollieren
Da die Arbeit nicht mehr räumlich verortet wird, findet ein Wandel von der Präsenz- zur Ergebniskultur statt. Als Konsequenz müssen Führungskräfte mehr motivieren anstatt kontrollieren. Ausserdem müssen sie lernen, persönliche Bindung auch über unpersönliche technische Kanäle aufzubauen und zu erhalten.
Hiring per Click
Arbeitskräfte in der digitalisierten Welt sind quantifizierbar und Kompetenzen, Erfahrungen sowie Kapazitäten in Form von Daten abrufbar. Der Vorteil davon: die passgenaue Vergabe von Aufträgen. Der Nachteil: Fehler im Profil verhindern ein Matching, ausserdem orientiert sich die Personalauswahl weniger an der kulturellen Passung.
Auswirkungen auf das Personalmanagement
Durch das Aufweichen von Grenzen und das Verschwinden fester Arbeitszeiten und -orte müssen die Unternehmen eine Ergebnis- anstelle einer Präsenzkultur leben. Vorgesetzte werden zu «Feel-good-Managern», Big Data zum Management-Tool. Um den Anschluss an die sich extrem schnell wandelnden Geschäftsfelder nicht zu verpassen, muss überall im Unternehmen Innovation entstehen können. Zufällige Begegnungen der Mitarbeiter zu fördern, gehört dabei ebenso dazu wie das Wertschätzen des Scheiterns. Ausserdem Arbeitsplätze, welche die Entdeckung und die Zusammenarbeit fördern. Jegliche Routine wird an Maschinen ausgelagert. Die geforderten Fähigkeiten: Kreativität, nichtlineares Denken (das können die Maschinen nicht übernehmen) und Entrepreneurship mit gleichzeitig ausgeprägten ICT-Kenntnissen. Was früher die musikalischen Wunderkinder waren, sind heute die frühreifen «Nerds», die Technik-Freaks und App-Entwickler.