Die Digitalisierung beschleunigt den Trend: Flexible Arbeitsformen werden immer beliebter – in allen Branchen und Bildungsschichten. Wer bevorzugt temporäre Anstellungen? Und was sind die Vorteile von Flexwork?
21. März 2022
Dass wir in einem Umbruch leben und dass die Arbeitswelt von morgen ganz anders aussehen wird, ist mittlerweile weitum bekannt. Die Digitalisierung – auch vorangetrieben durch die Corona-Pandemie – und die Globalisierung rufen einen tiefgreifenden Wandel hervor: Das Verständnis von Arbeit verändert sich. So wünschen sich Beschäftigte zunehmend mehr Flexibilität und Freiheit, etwa für eine ausgewogene Work-Life-Balance oder um eigene Projekte zu verwirklichen. Alternative Arbeitsmodelle werden durch diese Entwicklung immer häufiger; das Modell der lebenslangen 100-Prozent-Festanstellung bei einem einzigen Arbeitgeber hat zunehmend ausgedient. Die Pandemie hat zudem gezeigt: Mobile und ortsungebundene Arbeitsformen sind durchaus möglich.
Bereits 2015 hielt das Beratungsunternehmen Deloitte in seinem Bericht «Der Arbeitsplatz der Zukunft» fest, dass Freelancing im Trend sei und dass «die Arbeitskräfte der Zukunft selbständig» sind. Ein Viertel aller Erwerbstätigen in der Schweiz ging damals projektbasierten, temporären oder zusätzlichen Arbeiten nach. Dieser Trend hat sich bestärkt: Allein die Temporärarbeit hat sich seit den 1990er-Jahren mehr als verfünffacht. Heute arbeiten in der Schweiz über 380 000 Beschäftigte auf befristeter Basis – über alle Branchen verteilt.[1]
Verschiedene Formen von Flexwork
Personen mit flexiblen Arbeitsverhältnissen, wie Temporärarbeit, Freelancer oder Arbeit auf Abruf, werden unter dem Begriff Flexworker zusammengefasst. Die Definition von Swissstaffing, dem Verband der Personaldienstleister in der Schweiz, lautet: «Flexworker [sind] Menschen, die flexibel arbeiten möchten – sei es, weil sie dank Flexibilität den Weg zurück in die Erwerbstätigkeit suchen oder weil es ihrer Lebensphilosophie entspricht.» Wobei die Flexibilität sich auf den Arbeitsort, die Arbeitszeit oder die Arbeitsform beziehen kann. Die Zahlen für das Jahr 2020 sind auch aufgrund der Pandemie beeindruckend: 46 Prozent aller Erwerbstätigen teilten sich die Arbeitszeit flexibel ein, 34 Prozent arbeiteten von zu Hause aus – und 23 Prozent hatten flexible Arbeitsverträge.[2] Corona ist aber nur Beschleuniger dieser Entwicklung, nicht Auslöser. So arbeiteten bereits 2019 ein Viertel aller Erwerbstätigen zumindest ab und zu von zu Hause aus.[3]
Das neue Verständnis von Arbeit, auch «New Work» genannt, rückt die Sinnfrage in den Vordergrund und lässt die klassische Karriere an Bedeutung verlieren. Das deutsche Zukunftsinstitut hält fest: «Der krisenbedingte Digitalisierungsschub fördert neue Arbeitsstrukturen, die von Work-Life-Blending, Kollaboration und Remote Work geprägt sind. Unternehmenskulturen werden agiler und adaptiver, während Mitarbeitende sich stärker als Problemlöser für gesellschaftliche Zukunftsaufgaben sehen.» In anderen Worten: Die Grenzen zwischen Leben und Arbeit werden zunehmend verschwimmen, die Arbeitsformen werden flexibler. Temporärarbeit kommt in diesem Zusammenhang ein wichtiger Stellenwert zu.
Qualifizierte Fachkräfte arbeiten befristet
Zwar geistern teilweise noch alte Vorstellungen von Temporärarbeit in den Köpfen der Menschen herum, doch die Realität sieht viel diverser aus. Menschen jeder Altersgruppe, Qualifikation, Funktion und Branche arbeiten über längere oder kürzere Zeit befristet. Traditionellerweise ist Temporärarbeit bei den Jungen etwas beliebter: Rund die Hälfte aller Temporärarbeitenden sind zwischen 25 und 39 Jahre alt, fast 30 Prozent macht die Altersgruppe der 40- bis 45-Jährigen aus.[4] Sie arbeiten im Dienstleistungssektor, in der Baubranche, der Industrie oder dem Gesundheitswesen. Auch das Bildungsniveau ist breit gefächert – von geringer Qualifizierten bis zu Hochschulabgängern, wobei 44 Prozent über einen höheren Schulabschluss verfügen. Mehr als die Hälfte aller Temporärarbeitenden sind qualifizierte Fachkräfte und entsprechend ihrer Qualifikation angestellt. Geringer qualifizierte Beschäftigte nutzen die befristete Anstellung als Zusatzverdienst oder als Hilfskräfte. Die Gründe, warum jemand ein befristetes Arbeitsverhältnis wählt, sind ebenso vielfältig wie die Menschen, die sich für diese Arbeitsform entscheiden.
Motivation und Antrieb für Flexwork
Für Unternehmen sind Temporärarbeitende ideal, um einmalige Auftragsspitzen zu brechen, für die Überbrückungen von längeren Absenzen etwa durch Krankheit oder Elternurlaub oder um sich Know-how für spezifische Projekte dazuzuholen. So können Arbeitgeber agil und wettbewerbsfähig bleiben.
Viele Beschäftigte nutzen den Temporäreinsatz als Übergang zwischen zwei Festanstellungen oder je nach Alter und Qualifikation als Sprungbrett in den Arbeitsmarkt. Denn nicht selten führen befristete Verträge in eine Festanstellung. Im Sinne von New Work entspricht die flexible Arbeitsform aber auch der Lebenseinstellung von Arbeitnehmenden, die beispielsweise mehr Raum für eigene Projekte oder für Reisen einräumen möchten. Wieder andere suchen nach Lösungen, um Familie und Arbeit besser unter einen Hut zu bringen, oder nutzen befristete Anstellungen, um während Aus- und Weiterbildungen flexibel ihre Arbeit einteilen zu können.
Weniger Lohn, viele Überstunden und ein negatives Image gehören zu den weit verbreiteten Vorurteilen gegenüber Temporärarbeit. Fakt ist: Temporärarbeitende verdienen gleich viel wie ihre direkt angestellten Kolleginnen und Kollegen, wenn man Alter, Erfahrung und Funktion miteinbezieht. Dies ergab eine Untersuchung von Swissstaffing auf der Basis der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE).[5] Ausserdem müssen sie weniger Überstunden leisten, werden im Schnitt aber öfter finanziell dafür entschädigt. Und was das negative Image anbelangt: Flexibles Arbeiten wird immer mehr zur Realität. Und bietet nicht zuletzt qualifizierten Fachkräften die Möglichkeit, das Lebensmodell zu wählen, das ihnen entspricht.