Fehlende Unterlagen, Rechtschreibfehler oder ein unübersichtlicher Lebenslauf – alles Gründe, ein Bewerbungsdossier direkt auf den Stapel «abgelehnt» zu legen. Zumindest tun dies die meisten Personaler. Das bestätigt eine Umfrage von Careerplus: 56 Prozent der befragten Personalverantwortlichen gaben an, dass sie unvollständigen Dossiers keine Chance geben; 43 Prozent lehnen Bewerbungen mit unübersichtlichen Lebensläufen ab; Orthographiefehler sind bei 36 Prozent ein sofortiges Ausschlusskriterium. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Personalverantwortliche haben nur wenig Zeit zur Verfügung, um die Erstselektion der Bewerbungsdossiers vorzunehmen – so gaben 52 Prozent der Befragten an, dass sie maximal fünf Minuten für eine Erstbeurteilung aufwenden. Und formale Mängel sind ein einfaches Kriterium, um effizient auszusortieren. Doch nicht immer weist ein formaler Mangel auf einen unpassenden Bewerber hin. Ein Tippfehler kann mal vorkommen, oder eine Lücke im Lebenslauf muss nicht zwingend auf einen unsteten Lebenswandel hinweisen. Umgekehrt muss ein gut strukturierter und professionell präsentierter CV nichts über die Kompetenzen des Bewerbers aussagen. Denn wer weiss schon, ob der Bewerber diesen selbst erstellt oder in Auftrag gegeben hat?
Gerade in Branchen, die stark vom Fachkräftemangel betroffen sind, lohnt es sich, genauer hinzusehen. Denn nur so verringert sich das Risiko, einen potenziell geeigneten Kandidaten aufgrund eines auf Effizienz ausgerichteten Selektionsprozesses vorschnell abzulehnen. Es ist daher empfehlenswert, das Vorgehen bei der Auswahl der Dossiers regelmässig kritisch zu hinterfragen und Zweitmeinungen zu Bewerbungen bei Fach- oder Arbeitskollegen einzuholen.
Auf diese Aspekte sollten Sie bei der Dossieranalyse achten:
Lebenslauf
- Ausbildung: Erfüllt der Kandidat die Mindestanforderungen? Hat er seine Abschlüsse in Normzeit erworben? Wenn nicht, warum? Kann der Bewerber seine Qualifikationen und Erfahrungen belegen? (Ausbildungsnachweise, Arbeitszeugnisse, Fremdsprachen- und IT-Kenntnisse)
- Erfahrung: Ist eine klare Entwicklung erkennbar? Nehmen Kompetenz und Verantwortung zu? Bauen die Positionen aufeinander auf? Hat der Bewerber spezifische Branchen- und/oder internationale Erfahrung?
- Weiterbildung: Hat der Bewerber sich im Rahmen seines Berufs weiterentwickelt?
- Lücken: Sind allfällige Lücken nachvollziehbar begründet?
- Wechsel: War der Kandidat mehrmals weniger als zwei Jahre bei einem Arbeitgeber? Was waren die Gründe?
Motivationsschreiben
- Motivationsgründe: Was interessiert den Bewerber am Aufgabenbereich? Was am Unternehmen?
- Informationsstand: Wie gut hat sich der Bewerber über die Vakanz und das Unternehmen informiert? Erkennt er die relevanten Aspekte der Stelle? Geht er in seinen Ausführungen über die Stellenausschreibung hinaus?
- Mehrwert: Kann der Bewerber aufzeigen, welchen Mehrwert er dem Unternehmen bringt?
Arbeitszeugnis
- Beurteilung: Der Inhalt von Zeugnissen ist einerseits stark von der persönlichen Meinung des Verfassers gefärbt, andererseits werden oft statt transparenter Beurteilungen nach wie vor Codes verwendet. Durch das Einholen von Referenzen können Beurteilungen relativiert werden.
- Formulierungen: Gibt es wiederkehrende Beschreibungen in verschiedenen Arbeitszeugnissen? Oder spezielle Formulierungen? Was mehrere Arbeitgeber erwähnen, wird einen hohen Wahrheitsgrad haben.
- Abschlussfloskel: Ein «Wir bedauern sehr, dass uns XY verlässt» o.Ä. ist ein deutliches Zeichen, dass die Gesamtbeurteilung positiv ist.
Dieser Beitrag basiert auf dem Artikel «Dossieranalyse: Auch mal ein Auge zudrücken» von Sylvia Stutz, Verantwortliche Human Resources bei Careerplus. Hier laden Sie den vollständigen Artikel als PDF herunter.