Lange einfach nur ein Trend, wurden Online-Meetings in letzter Zeit vielerorts zur Normalität. Die Corona-Pandemie beschleunigt den digitalen Wandel. Eine gute Gelegenheit, um Videobewerbungen im eigenen Unternehmen einzuführen. Denn das Video ist mehr als nur eine Notlösung. Schon mit einfachen Mitteln und einem überschaubaren Wissen lässt sich die neue Bewerbungsform in den Rekrutierungsalltag integrieren. Videointerviews und -bewerbungen sind somit nicht nur für grosse Unternehmen, sondern auch für KMU geeignet.
Vorteile von Videointerviews und zeitversetzten Videobewerbungen
Es gibt zwei Arten von Videointerviews: das zeitversetzte Video und die Videotelefonie in Echtzeit. Letztere unterscheidet sich nur geringfügig von einem Bewerbungsgespräch vor Ort. Ausser natürlich, dass die Anreise für die Bewerber entfällt und dass man sich nicht persönlich gegenübersitzt. Was gleich bleibt, sind der Gesprächsverlauf und die Möglichkeit, etwas zu präsentieren: Alle professionellen Anbieter von Videotelefonie ermöglichen es, den Desktop mit den Gesprächsteilnehmern zu teilen. Davon unterscheidet sich die zeitversetzte Videobewerbung, bei der die Bewerber im Vorfeld ein Video erstellen und dieses an die Rekrutierungsverantwortlichen schicken. Diese Form eignet sich für die Vorselektion vor dem persönlichen Interview. Doch ginge das nicht auch mit einem Telefonanruf? Was bringen Videos in der Rekrutierung überhaupt?
- Image: Mittels Videobewerbung positionieren Sie Ihr Unternehmen als innovativ und modern.
- Objektivität: Sie können die Videos mit anderen Personen aus dem Unternehmen teilen. Zweitmeinungen und die Einschätzungen der Linie sind dadurch einfacher und schneller möglich.
- Kandidatenfreundlich: Kandidaten müssen dank der Videointerviews nicht anreisen.
- Effizient: Da Sie durch die zeitversetzte Videobewerbung einen besseren Eindruck von der Person erhalten, können Sie nur noch die engere Auswahl an Kandidaten zum Interview einladen.
- Talente entdecken: Ein Video sagt mehr aus als eine geschriebene Bewerbung. So erhalten auch Talente eine Chance, die vielleicht durch das Raster gefallen wären.
So wird das Live-Videointerview zum Erfolg
Bewerbermanagementsysteme bieten die Möglichkeit zur Videotelefonie an. Aber auch ohne ist das Live-Videointerview unkompliziert. Mit Plattformen wie Microsoft Teams, Zoom, Skype for Business oder Google Meet sind Videokonferenzen relativ einfach aufzusetzen. Die kostenpflichtigen Businessversionen enthalten wichtige Eigenschaften wie die unbeschränkte Gesprächsdauer, passwortgeschützte virtuelle «Meetingräume», verschlüsselte Übertragung, das Teilen der Desktops und vor allem das Aufzeichnen des Gesprächs. Tipp: Zeichnen Sie das Gespräch auf, damit Sie es später noch einmal anschauen und mit der Linie oder den Vorgesetzten besprechen können. Weisen Sie aber auf alle Fälle die Kandidaten bei Gesprächsbeginn darauf hin. Versichern Sie ihnen zudem, dass die Videos vertraulich behandelt werden. So können Sie allfälligen Datenschutzbedenken entgegenwirken.
Ein schlechter Ton, ein verschwommenes Bild und eine instabile Internetverbindung werfen nicht nur ein schlechtes Licht auf die Kandidaten, sondern auch auf das Unternehmen. Wer selten Plattformen für Videokonferenzen nutzt, sollte sich im Vorfeld des Interviews unbedingt mit der Technik vertraut machen. Wichtig sind eine gute Kameraposition – der Blick sollte gerade in die Kamera gerichtet sein –, eine helle Lichtquelle für ein freundliches Bild sowie eine ungestörte Umgebung mit einfarbigem Hintergrund.
Zeitversetzte Videobewerbungen: Darauf müssen Sie achten
Zeitversetzte Bewerbungsvideos ersetzen nicht das persönliche Gespräch, sondern sind – richtig angewendet – ein gutes Selektionsinstrument. Sinnvoll ist es, die passendsten Bewerberinnen und ein paar Wackelkandidaten zu bitten, ein Video einzureichen. So entdeckt man unter Umständen Personen, die sonst nicht zum Interview eingeladen worden wären.
Das Konzept des zeitversetzten Videointerviews: Die Bewerber erhalten einen Link zu einer Plattform, wo sie auf verschiedene Fragen per Videoaufzeichnung antworten müssen. Die Gestaltungsmöglichkeiten für die Unternehmen sind vielfältig: Die Fragen können schriftlich eingeblendet werden, oder ein Recruiter stellt sie per Video. Auch die Bedenkzeit, welche die Bewerber zur Verfügung haben, kann man frei definieren; oder man lässt den Bewerberinnen drei Versuche, wobei sie den besten auswählen dürfen. Die in der Schweiz aktuell am weitesten verbreitete Plattform für zeitversetzte Interviews ist Wepow. Sie ermöglicht auch Live-Videointerviews, doch ihre Stärke liegt in den zahlreichen Möglichkeiten für die zeitversetzte Version. Darauf sollten Sie beim Aufsetzen eines Videos achten:
- Die Fragen: Damit Sie aussagekräftige Antworten erhalten, müssen die Fragen sehr konkret und eindeutig sein. Halten Sie die Fragen zudem kurz, damit die Bewerber nicht ausufern.
- Die Vorbereitungszeit: Geben Sie den Bewerbern nach der Frage etwas mehr Bedenkzeit als bei einem Interview. Schliesslich ist es eher eine Präsentation denn ein Gespräch. Rund 20 Sekunden Vorbereitung sind ein gutes Mittelmass.
- Die Antwortzeit: Begrenzen Sie die Antwortzeit, berücksichtigen Sie dabei aber die Komplexität der Frage. Im Schnitt sollte eine Minute ausreichend sein.
Der Video Pitch – Videobewerbung ohne Plattform
Eine Variante des zeitversetzten Bewerbungsvideos ist der Video Pitch: Dazu wird den Bewerbern nicht ein Link einer Plattform geschickt, sondern diese nehmen eigenständig ein Video auf. Auch für diese freiere Version des Bewerbungsvideos empfiehlt sich ein Fragenkatalog, damit die Bewerber einen Anhaltspunkt haben und die Videos miteinander vergleichbar werden. Wer keine episch langen Filme anschauen möchte, legt unbedingt eine Maximallänge des Videos fest – nicht länger als zwei bis drei Minuten. Tipp: Geben Sie einige Vorgaben, damit alle Bewerber die gleichen Voraussetzungen haben. Etwa, dass das Video nicht geschnitten werden darf und immer die gleiche Kameraeinstellung gegeben sein muss. Schliesslich wollen Sie keinen Fernsehfilm, sondern eine solide Bewerbung. Machen Sie klar, dass ein Video mit der Handykamera in den meisten Fällen ausreichend ist.
Fazit: Was bringt es wirklich? Und für wen?
Die Vorteile von Videobewerbungen mögen zahlreich sein. Doch es gibt auch einige Fragezeichen. So kann die Anforderung, ein Video von sich zu schicken, für einige Personen abschreckend wirken. Eher schüchterne Menschen und ältere Generationen, die tendenziell weniger vertraut mit den digitalen Möglichkeiten sind, könnten das Nachsehen haben. Allerdings hat die Akzeptanz von Videointerviews in letzter Zeit wohl eher zugenommen, da man sich seit der Corona-Krise an Videomeetings gewöhnt ist.
Gerade bei der zeitversetzten Videobewerbung ist die Überlegung trotzdem wichtig, wer Ihre Zielgruppe ist und ob das zusätzliche Auswahlinstrument im konkreten Fall sinnvoll ist. Achtung zudem vor einem erhöhten Arbeitsaufwand. Verlangen Sie nur von den aussichtsreichsten Bewerbern ein Video und verzichten Sie dafür auf telefonische Rückfragen und Erstgespräche. Wenn das neue Tool mittelfristig mehr Aufwand macht als zuvor, sollten Sie Ihren Prozess überdenken. Trend hin oder her.
Vorbereitung für die Bewerber