Flexible Arbeitsformen im Trend
Die Digitalisierung beschleunigt den Trend: Flexible Arbeitsformen werden immer beliebter – in allen Branchen und Bildungsschichten. Wer bevorzugt temporäre Anstellungen? Und was sind die Vorteile von Flexwork?
Wenn eins und eins drei gibt, ist das kein Rechnungsfehler, sondern Jobsharing. Ein berufliches Tandem bringt ein Mehr an Erfahrung, Flexibilität und Produktivität mit – und garantiert den Wissenstransfer. Für KMU eine Chance bei der Nachfolgesuche.
Nachfolge? Jetzt doch noch nicht. Viele KMU-Firmeninhaber:innen packen die Nachfolgelösung spät an. Zu spät. Denn eine Übergabe dauert in der Regel fünf bis zehn Jahre. Wer das Thema erst nach 60 angeht, kommt unter Umständen unter Zeitdruck. Tatsächlich haben in der Schweiz laut dem Wirtschaftsinformationsdienst Dun & Bradstreet mehr als 90 000 KMU ein Nachfolgeproblem – also gut 15 Prozent aller Schweizer KMU. Die Suche nach einer Nachfolge gehört für viele KMU zu den herausforderndsten Aufgaben. Nicht alleiniger, aber auch ein Grund ist das Fehlen einer passenden Nachfolge.
Jobsharing ist für KMU eine Chance, den Pool an möglichen Nachfolgerinnen und Nachfolgern zu vergrössern. Genauer gesagt: Topsharing. Bei diesem Jobsharing-Modell teilen sich zwei Führungskräfte eine Stelle. Durch die Möglichkeit, verantwortungsvolle Jobs oder sogar die Geschäftsführung in einem Teilzeitpensum zu bewältigen, ermöglicht man mehr Menschen den Zugang zu diesen Positionen – Menschen, die zu Hause Kinder oder Angehörige betreuen. In der Schweiz sind das vor allem Frauen. Der Anteil Frauen in den Geschäftsleitungen liegt in der Privatwirtschaft bei 17 Prozent, und dies, obwohl mehr Frauen als Männer mit einer Matura abschliessen (Schillingreport 2022). Aber auch immer mehr Männer beteiligen sich an der Erziehung des Nachwuchses und können daher nicht in einem 100-Prozent-Pensum arbeiten. Da Führungspositionen in einem Teilzeitpensum nicht möglich sind, liegt ein grosses wirtschaftliches Potenzial brach. Topsharing bietet ein Modell, um mehr Fach- und Führungskräfte zurück in die Wirtschaft zu holen. Und davon profitieren insbesondere KMU.
Für kleine und mittlere Firmen ist zudem ein übergenerationelles Jobsharing interessant. Dabei teilen sich zwei Personen, die einen Altersunterschied von mindestens zehn Jahren aufweisen, die Stelle. Gerade für Nachfolgeregelungen ist diese Möglichkeit attraktiv, da somit der Wissenstransfer garantiert wird und der Übergang fliessend stattfinden kann. Die jüngere Person profitiert vom Know-how der älteren und bringt Familie und Beruf unter einen Hut. Auf der anderen Seite ist es der älteren Person möglich, langsam ihr Pensum zu reduzieren und sich schrittweise vom Unternehmen zu lösen. Nicht zuletzt profitiert auch sie vom Wissen der Nachwuchskraft. Eine gestaffelte Übergabe der Firma ist ideal, da sie dem Nachfolger die Möglichkeit gibt, in die Verantwortung hineinzuwachsen. Dies gilt für familieninterne wie auch -externe Nachfolgelösungen.
Intergenerationelles Jobsharing ist selbstredend nicht immer einfach und bedingt nebst einer guten Organisation von allen Seiten Toleranz, Flexibilität und Verständnis. Für den Erfolg des Modells ist es zentral, dass das Tandem ganz genau definiert, wer welche Kompetenzen hat und wer wann welche Entscheidungen fällt. Nicht zuletzt sollte der Zeitplan der vollständigen Übergabe definiert sein. In der Zwischenzeit muss die ältere Person immer mehr loslassen können und die jüngere akzeptieren, dass sie (noch) nicht alleine das Sagen hat. Zu den positiven Seiten eines intergenerationellen Topsharings gehört insbesondere, dass die Zeitaufteilung des Tandems ideal ineinandergreift. Denn die Verpflichtungen und der Tagesablauf von jüngeren Personen mit Familie unterscheiden sich von denen älterer Personen. Die Bedürfnisse sind verschieden, das Tandem ergänzt sich dadurch optimal.
Viele KMU zögern beim Gedanken an Top- oder Jobsharing. «Zu kompliziert» ist eines der meistgehörten Vorurteile. Tatsächlich benötigt Topsharing eine sehr gute Organisation sowie Koordination. Das Tandem muss sich menschlich und fachlich gut ergänzen und unterstützen – und das funktioniert nicht mit jeder Person. Doch die Praxis zeigt: Eine geteilte Führungsposition ist gut machbar und sogar ein Gewinn für das Unternehmen. Schliesslich erhält dieses zwei Kompetenzen für eine Stelle.
Die Modelle und Möglichkeiten, wie man sich aufteilen und organisieren will, sind verschieden und müssen für alle Beteiligten – das Tandem, die Mitarbeitenden, das Unternehmen – stimmig sein. Denkbar ist beispielsweise ein Pensum von je 70 Prozent, wobei eine der Personen für das strategische, die andere für das operative Geschäft verantwortlich ist. Oder die Führungskräfte teilen sich quartalsweise die Arbeit auf in je einem 70-Prozent-Pensum: Person A übernimmt drei Monate lang die Vorgesetztenrolle, während Person B zu 30 Prozent als Vorgesetzte arbeitet und die verbleibenden 40 Prozent als stellvertretende Vorgesetzte. Im darauffolgenden Quartal wird die Situation umgekehrt. Dieses Modell ist für ein Unternehmen interessant, da dadurch ein Teil der Stellvertretung bereits im Jobsharing integriert wird. Ein gemeinsamer Tag, an dem beide Führungskräfte anwesend sind, ist für die Koordination und gemeinsame Absprache zentral.
Top- und Jobsharing ist für KMU ganz grundsätzlich eine innovative Möglichkeit, sich als attraktiven und modernen Arbeitgeber zu positionieren. Sie sind dadurch für die jungen Generationen Y und Z interessant, denen Work-Life-Balance und Freiheiten wichtig sind. Sie erweitern wie erwähnt ihren Kandidatinnenpool, halten aber auch hochqualifizierte Mitarbeitende eher im Betrieb. Studien zeigen zudem, dass die Produktivität sowie die Zufriedenheit von Mitarbeitenden steigen, die in einem Pensum von 80 Prozent oder weniger arbeiten. Der initiale Mehraufwand, um Job- und Topsharing zu ermöglichen, lohnt sich also insbesondere für KMU – auf der Suche nach einer Nachfolgelösung genauso wie zur Positionierung auf dem Arbeitsmarkt.