Rekrutierungsverantwortliche müssen oft wichtige Entscheidungen treffen. Welcher Kandidat ist der passende? Das kann herausfordernd sein – man zögert und zaudert. Doch effizient und gut zu entscheiden, ist lernbar. Worauf kommt es an?
19. May 2022
Wer möchte nicht ab und zu im Arbeitsalltag effizienter sein? Fristgerecht und ohne Überstunden seine Aufgaben erledigen? Doch oft kommt es anders. Manchmal stehen wir uns selbst im Weg, manchmal müssen wir schlicht zu viel entscheiden. Das kann lähmend wirken.
Täglich treffen wir um die 20 000 Entscheidungen, viele davon unbewusst. Nebst solchen einfachen Routine-Entscheidungen gibt es noch eine zweite Kategorie: die Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen, wie zum Beispiel Personalentscheide. Darüber können wir uns tagelang den Kopf zerbrechen – und den Entscheid auf die lange Bank schieben. Doch wenn Rekrutierungsverantwortliche zu lange mit einer Rückmeldung warten, verlieren sie unter Umständen potenzielle Kandidaten. Denn die Bewerber warten nicht mehr wochenlang auf eine Antwort des Unternehmens. Mit anderen Worten: Wer keine Entscheidung trifft, dem wird sie abgenommen.
«Die Qualität unserer Entscheidung muss zum Zeitpunkt der Entscheidung beurteilt werden und nicht im Nachhinein.»
Aus: Philip Meissner, «Entscheiden ist einfach», Campus Verlag, 2019,
Was uns am Entscheiden hindert
Es ist nicht einmal so selten, dass sich Menschen einfach nicht entscheiden können. Entscheidungsparalyse nennt man dies in der Fachwelt. Der Grund für das lähmende Gefühl ist meistens die Angst vor Fehlern oder davor, etwas zu verlieren. Dabei ist die Furcht in vielen Fällen unbegründet. Zudem müssen Rekrutierungsverantwortliche wie auch alle anderen Entscheidungsträger das Risiko eingehen, auch mal schlecht zu entscheiden. Im Gegenzug nehmen sie die Chance wahr, etwas Positives zu gewinnen.
Nicht zuletzt wird die Frage, wann eine Entscheidung gut oder schlecht war, oft falsch beurteilt. Denn was früher entschieden wurde, darf nicht mit dem Wissen von heute bewertet werden. Sie haben eine Person eingestellt, die nach einem halben Jahr wieder gekündigt hat? Das konnten Sie damals noch nicht ahnen. Zudem wissen Sie nicht, wie sich der zweite Kandidat entwickelt hätte. Wie sagt man so schön: Es gibt keine schlechten Entscheidungen. Es gibt nur keine Entscheidungen.
«Das Risiko eines möglichen Verlustes wird uns oft höher erscheinen als die möglichen Vorteile und Gewinne, die sich aus der Entscheidung ergeben.»
Aus: Philip Meissner, «Entscheiden ist einfach», Campus Verlag, 2019,
Emotionen, Schlaf und der Ikea-Effekt
Optimismus ist ebenfalls kein guter Ratgeber bei Entscheidungen. Denn wie bei der Angst beurteilen wir in diesen Fällen nicht die Fakten, sondern lassen uns durch unsere Gefühle leiten. Emotionen sind grundsätzlich eher hinderlich für den Entscheidungsprozess, da sie uns in die Irre führen. Wenn beispielsweise ein Bewerber sehr gut angezogen ist und sich zuvorkommend verhält, tendieren wir dazu, seine Qualifikationen besser einzuschätzen, als sie tatsächlich sind. Man spricht dann vom Halo-Effekt: Ein einzelnes Merkmal ist so dominant, dass es die anderen Merkmale in den Hintergrund drängt. Fragen Sie daher andere Personen um Rat und seien Sie sich Ihrer eigenen Emotionen bewusst. Ausreichend Schlaf von sieben bis acht Stunden pro Nacht hilft, die Emotionen besser zu regulieren, und verringert dadurch das Risiko von impulsiven Entscheidungen.
Auch systematische Selbstüberschätzung und der Ikea-Effekt können die Entscheidungsfindung erschweren. Ersteres beschreibt die Tendenz, dass Menschen ihre Prognosefähigkeit tendenziell überschätzen. Dadurch werden sie unvorsichtig und entscheiden zu schnell. Der Ikea-Effekt ist Teil der Selbstüberschätzung: Menschen messen Dingen, die sie selbst gemacht haben, einen höheren Wert zu. Sei das nun ein selbst zusammengebautes Möbel oder eine Entscheidung. Der Ikea-Effekt lässt andere Lösungen für ein Problem ausblenden, weil diese nicht von uns sind.
Gute Entscheidungen treffen
Entscheiden ist lernbar. Tipps, dank denen Sie methodischer, einfacher und effizienter entscheiden und rekrutieren:
Wenn Sie genau wissen, welches Profil Sie suchen, werden die Entscheidungen einfacher. Definieren Sie daher im Voraus mit der Linie, welche Kriterien zwingend erfüllt werden müssen.
Auch wenn eine zeitnahe Entscheidung wichtig ist und die Kandidaten auf eine Rückmeldung warten: Entscheiden Sie nicht im Affekt.
Um der Angst vor Fehlern die Stirn zu bieten: Führen Sie sich vor Augen, was Sie mit der Entscheidung gewinnen könnten, anstatt nur das Negative zu sehen.
Befreien Sie sich vom Anspruch an die Perfektion. Die perfekte Entscheidung gibt es nicht.
Schreiben Sie Pro und Contra auf, um die Gedanken zu ordnen. Gewichten Sie dabei die einzelnen Punkte.
Setzen Sie sich selbst eine Deadline. Diese sorgt nachweislich dafür, dass wir Arbeiten eher abschliessen.
Halten Sie sich vor Augen, dass es nicht darum geht, Recht zu behalten. Wir Menschen tendieren dazu, Kritik zu überhören und die Bestätigung verstärkt wahrzunehmen.
Holen Sie sich Rat bei Personen, die unabhängig und kritisch sind und bereits ähnliche Entscheidungen getroffen haben.
Schlafen Sie eine Nacht über Ihre Entscheidung. Nachts ist unser Gehirn sehr aktiv und findet kreative Lösungen. Auch eine Auszeit hilft. Nehmen Sie Abstand von der Entscheidung und gehen Sie einer Aktivität nach, die Sie ablenkt.
Trainieren Sie die Entscheidungskompetenz im Kleinen. Beginnen Sie im Privatleben bei Freunden und Familie.
Buchtipp: Entscheiden ist einfach
Der Entscheidungsforscher Philip Meissner weiss: Entscheiden kann man lernen. In seinem Buch gibt er Strategien und zahlreiche Tipps an die Hand. Grosse Entscheidungen einfach gemacht.
Philip Meissner, «Entscheiden ist einfach», Campus Verlag, 2019