Bei Personalentscheiden setzen Unternehmen vermehrt auf Assessments. 47 Prozent der Befragten einer Careerplus-Umfrage gaben an, Assessments bei der Beurteilung von Kandidaten zu verwenden. Um die Objektivität von Personalentscheiden zu erhöhen und die Wahrscheinlichkeit von Fehlentscheiden zu verringern, nehmen Firmen auch höhere finanzielle und zeitliche Aufwände in Kauf. Mittels Assessments gewinnen potenzielle Arbeitgeber Aufschluss über Stärken und Schwächen sowie Sozial-, Selbsteinschätzungs- und Führungskompetenzen eines Kandidaten. Geprüft werden beispielsweise Teamfähigkeit, Kritik- und Konfliktfähigkeit, Selbständigkeit, Durchsetzungsvermögen oder unternehmerisches Denken. «Mit unterschiedlichen Tools können wir die Fähigkeiten von Kandidaten aus ganz verschiedenen Perspektiven beleuchten», erklärt Noelia Pedreira Fellay, HR-Spezialistin bei Careerplus. Im Idealfall würden mehrere neutrale Beobachter die Untersuchungen durchführen und ihre Einschätzungen miteinander vergleichen. «Bei internen Assessments kommen diese Beobachter idealerweise aus verschiedenen Abteilungen.»
Mit diesen Instrumenten prüfen Sie Ihre Kandidaten
Die Art des Assessments hängt stark von dessen Ziel ab. Als Instrument zur Personalauswahl hat sich das Einzel- oder Selektionsassessment bewährt. Zur Standortbestimmung und zur Weiterentwicklung von Mitarbeitenden eignen sich Gruppen- oder Förderassessments. Letztere beispielsweise in Form von Rollenspielen, Gruppendiskussionen oder Präsentationen. In der Personalauswahl kommt das Einzelassessment am häufigsten zum Einsatz. Auch Careerplus nutzt diese Form für die Beurteilung von Bewerbern. Dabei werden insgesamt vier verschiedene Tools verwendet. «Die Kombination unterschiedlicher Herangehensweisen liefert die aussagekräftigsten Resultate», sagt Noelia Pedreira Fellay.
Kompetenzbasiertes Interview
Als erstes Instrument kommt beim Einzelassessment das sogenannte Competency Based Interview (CBI) zum Einsatz. Wie der Name sagt, stehen hier die Kompetenzen des Kandidaten im Zentrum. Beim CBI wird aus vergangenem Verhalten auf künftige Leistungen eines Kandidaten geschlossen. Denn: «Wie ein Kandidat in der Vergangenheit in spezifischen Situationen reagiert hat, verrät viel darüber, wie er künftig mit ähnlichen Situationen umgehen wird», so Noelia Pedreira Fellay. Dazu bieten sich folgende Fragen an: Wie haben Sie Ihr Team durch ein schwieriges Projekt geführt? Welche Projekte haben Sie als letzte von sich aus initiiert? Wie haben Sie Arbeitskollegen für unbeliebte Projekte und Aufgaben motiviert? Wann haben Sie im Arbeitsalltag zuletzt Ihre Teamfähigkeit beweisen können? Die Fragen werden so gestellt, dass der Kandidat möglichst präzise antworten muss.
Persönlichkeitstest
Persönlichkeitstests liefern zusätzliche Informationen, die einen Eindruck aus dem Interview bestätigen oder korrigieren können. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um Persönlichkeitsmerkmale zu testen. Ein bewährtes Instrument ist das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung – kurz BIP. Mithilfe des psychologischen Testverfahrens wird ein Profil erstellt, welches Informationen zum Arbeitsverhalten, zur beruflichen Orientierung, zur sozialen Kompetenz und zur psychischen Konstitution des Kandidaten beinhaltet. «Das BIP gibt etwa Aufschluss über Gewissenhaftigkeit, Leistungsmotivation, Sensitivität, Durchsetzungsvermögen, Selbstbewusstsein oder Teamorientierung eines Kandidaten», sagt Noelia Pedreira Fellay. Da die Interpretation der Ergebnisse ein gewisses Know-how verlangt, empfiehlt Careerplus, externe Hilfe beizuziehen.
Rollenspiel
Das Rollenspiel ist ein weiteres zentrales Element in einem Assessment. Die meisten Assessment-Center setzen hier auf die sogenannte Postkorbübung. Dabei müssen Kandidaten innerhalb einer bestimmten Zeit eine Vielzahl an Informationen und Aufgaben durchsehen und priorisieren. In dieser praxisnahen Übung lässt sich das Verhalten des Kandidaten in einer Stresssituation und unter Zeitdruck direkt beobachten. Oft stammen die Informationen und Aufgaben aus einem branchenfremden Kontext. «Das erlaubt uns, neben der Stressresistenz, dem analytischen Denken, der Entscheidungsfähigkeit und der Arbeitsorganisation auch das Verhalten des Kandidaten in Situationen ausserhalb seiner Komfortzone zu prüfen», erklärt Pedreira Fellay. Speziell für Führungspositionen bietet sich ein Rollenspiel in Form eines Mitarbeitergesprächs an. «Wie eine Person während eines heiklen Gesprächs mit ihrem Gegenüber umgeht, sagt viel über ihren Führungsstil aus.»
Selbsteinschätzung
Zu guter Letzt soll sich der Kandidat selbst einschätzen. Er wird gebeten, auf einer Skala die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen festzulegen. Wie realistisch ist die Selbstwahrnehmung? Nach Abschluss des Assessments vergleichen die Beobachter das Selbstbild mit dem Fremdbild.